Der Dividendenjäger
Ich habe Intuit komplett verkauft...

Einleitung
...und suche ein anderes Unternehmen, dem ich mein Kapital anvertraue. Ich verkaufe oder strukturiere selten um in meinem Portfolio. Aber heute ist es mal wieder an der Zeit, den Abschied eines Unternehmens zu verkünden. Um wen es geht und was meine Gründe waren, darüber möchte ich in diesem Artikel Einblick geben.
Ich habe Intuit verkauft. Den Verkaufsbutton bei einer Aktie zu drücken, geschieht in wenigen Sekunden. Meine Verkaufsgedanken kreisten jedoch schon seit November letzten Jahres über diesem Investment. Entstanden sind diese Gedanken aus purer Emotion, da Intuit im Jahr 2022 mehr als 40 % seines Wertes verloren hatte, zu einer Zeit, als der S&P 500 um etwas mehr als 18 % fiel. Aber in den letzten sechs Jahren waren meine Verkaufsentscheidungen nie die schlechtesten Ideen, auch wenn Emotionen an der Börse immer fehl am Platz sind. Zuversichtlich macht mich aber, dass zumindest kein Unternehmen nach meinem Abschied die Höchstkurse je wieder erreicht hat!
Grund und Gedanke Nr. 1 - Die Dividende
Mein erster Gedanke über einen Verkauf von Intuit entstand, nachdem im vergangenen Jahr die Tech-Werte viel an Boden verloren haben. Unzählige Unternehmen haben ihre Überbewertungen abgebaut, so auch Intuit. Dies sollte für langfristige Einkommensinvestoren eigentlich ein Grund zur Freude sein aber: Einkommen bei Intuit? Hier gab es trotz des Abverkaufs nur 0,7 % Dividende auf mein eingezahltes Kapital und das ist mir in der Zwischenzeit einfach zu wenig. Da ich aber noch andere Beteiligungen habe, die unter 1 % an Dividende ausschütten, ist dies nicht der Hauptgrund meiner Entscheidung.
Grund und Gedanke Nr 2. - Das Geschäftsmodell
Spannende Unternehmen sind großartig zum Diskutieren, passen aber nicht unbedingt zum eigenen Investitionsansatz. Am 30.04.2020 kaufte ich meine erste große Tranche Intuit, da meine Ausrichtung noch sehr auf Unternehmen fokussiert war, die exzellentes Wachstum aufwiesen. Ich war von den fundamentalen Zahlen sehr beeindruckt und auch die Unternehmenspräsentation war für mich überzeugend.
Habe ich dieses Unternehmen verstanden? Ja, so habe ich es mir zumindest eigeredet.
Verstehe ich die Tätigkeit heute? Null. Warum? Weil ich keinen einzigen Bezug zu Intuit habe. Intuit beschäftigt sich mit der Bereitstellung von Geschäfts- und Finanzmanagementlösungen und ist in den folgenden Segmenten tätig: Kleingewerbe und Selbstständige.
Für die Segmente Kleingewerbe und Selbstständige wird die Software QuickBooks, Finanz- und Business-Management-Online-Services und Desktop-Software sowie Lösungen für die Gehaltsabrechnung, Zahlungsabwicklung und Finanzierung für kleine Unternehmen angeboten. Hört sich vielversprechend an, aber mit dieser Materie bin ich überhaupt nicht vertraut.
Der zweite Hauptzweig besteht daraus, Do-it-yourself- und unterstützte TurboTax-Produkte und Dienstleistungen zur Einkommensteuererstellung für professionelle Steuerberater anzubieten und zu vermarkten. Auch hier bin ich leicht überfordert, da ich aus dem Industriesektor komme und in Wirklichkeit mit professioneller Steuerberatung nichts am Hut habe.
Beim Reflektieren dieser Gedanken konnte ich zwar Nachts immer noch gut schlafen, aber eine Unsicherheit hatte sich trotzdem oft breit gemacht. Es stand ja auch die Frage im Raum, ob ich weitere Nachkäufe tätigen möchte. Immerhin hatte Intuit eine Bewertung erreicht, die halbwegs fair war.

Grund und Gedanke Nr. 3 - Die Schulden
Um nachts gut schlafen zu können, sollten meine Investitionen langweilig und vorhersehbar sein. Neue Börsengänge und Meme-Aktien waren 2020/2021 heiße Themen und großartige Gesprächstreiber. Aber wenn die Wirtschaft von Herausforderungen wie Inflation, steigenden Zinssätzen und Stagflationsrisiken konfrontiert wird, laufen die Institutionen wie vor der Pest davon. Immer mit der Angst, dass das Vermögen möglicherweise nicht überlebt.
Was aber machte Intuit im Jahr 2021? Intuit beendete die Übernahme von MailChimp, wenige Monate bevor die Fed mit der Zinserhöhung begann. Dieser Deal kostete Intuit 12 Milliarden Dollar, von denen 4,7 Milliarden durch ein unbesichertes Darlehen finanziert wurden. Dies hatte nun zur Folge, dass die langfristigen Schulden um 215 % auf 6,4 Milliarden Dollar stiegen, was die Gesamtverschuldung auf über 7 Milliarden Dollar brachte.

Betrachte ich nun die Barreserven von Intuit, dann übersteigen die Schulden erstmals diese Barreserven bei weitem und lösen viele Fragen in mir aus.
Schaut man sich die Schuldenstrukur von Intuit an dann sieht man erstaunt, dass die Schulden überwiegend in den letzten 3 Jahren stark gestiegen sind. Da die Fed ihre Zinssätze wahrscheinlich nicht so bald auf das Niveau von 2021 senken wird, könnte es für Intuit schwieriger werden, diese Schulden im anhaltend höheren Zinsumfeld zu bedienen.
Sind diese Schulden eine Gefahr? Ich denke nein, da der Verschuldungsgrad mit gerade einmal 18 % sehr gering ausfällt. Daher besteht die eigentliche Frage daraus, ob Intuit in einem steigenden Zinsumfeld seinen Cashflow stabil halten und gleichzeitig seiner Schuldenverpflichtung von 6,5 Milliarden Dollar innerhalb von drei Jahren nachkommen kann.
Grund und Gedanke Nr. 4 - Das Wachstum
Während das Wachstum in den letzten Jahren das Geschäft kräftig angekurbelt hat, blieben die Margen ebenfalls stabil. Ob ein weiterer Sprung zu erwarten ist, gerade wenn sich eine Rezession abzeichnet, ist fraglich. Immerhin sind die Margen jetzt schon von 28 % auf 20,7 % gefallen. Die Frage, die ich mir stelle, ist: Wie werden nach den letzten niedrigeren Prognosen für das Geschäftsjahr 2023 die Gewinne und der Cashflow zukünftig ausfallen?

Grund und Gedanke Nr. 5 - Es darf nichts schief laufen
Nach Jahrzehnten starken organischen Wachstums und solider Rentabilität scheint das Management von Intuit eine drastische Verschiebung seiner Kapitalallokationspolitik angenommen zu haben. Dies scheint keine einmalige Veranstaltung zu sein und im Laufe der Zeit scheint es, dass Intuit nun auf "alles oder nichts" setzt. Immerhin gab es in den letzten drei 3 Jahren zwei Akquisitionen (Credit Karma und Mailchimp), die sich als sehr kapitalintensiv erwiesen haben.
Der plötzliche Abstieg aus dem organischen Wachstum zu einer extrem aggressiven M&A-Strategie ist für mich besorgniserregend und war bei meinem Einstieg in diese Position nicht abzusehen. Mir kommt es bei dieser Betrachtung vor, als ob bei den neuen Geschäftstätigkeiten nichts schief gehen sollte und daher mehr Risiken als Chancen lauern.

Zudem ist auffällig, dass Insider ihre Aktien in den letzten zwei Jahren aggressiv verkauft haben. Zuletzt war dies im Jahr 2016 der Fall. Als ob all das nicht genug wäre, sind die aktienbasierten Vergütungspakete von Intuit von 435 Millionen Dollar im Geschäftsjahr 2020 auf 1.308 Millionen Dollar im Geschäftsjahr 2022 in die Höhe geschnellt! Hier gehen bei mir ebenfalls die roten Warnleuchten an.
Mein Verkauf:
Ich bin dem Glanz der Technologiegiganten, die den US-Markt und die Nachrichten im Jahr 2020 dominierten, erlegen. Ich hatte mich auf eine Position (Unternehmen) eingelassen, die ich interessant fand und auch immer noch interessant finde. Doch leider verstehe ich von diesem Geschäft einfach zu wenig und ein Nachkauf reizt mich in der momentanen Lage einfach nicht mehr. Intuit hat einen anderen Weg eingeschlagen und das jahrzehntelange organische Wachstum verlassen. Die letzten zwei großen Übernahmen bergen aus meiner Betrachtung heraus viele Risiken und die neue Schuldenlast könnte eine größere Herausforderung darstellen als gedacht. Die Besessenheit von Intuit, um jeden Preis ein hohes Wachstum zu erzielen, stört mich, auch wenn das Geschäftsmodell stark bleibt. Daher trete ich hier den Rückzug an und begebe mich auf die Suche nach einer langweiligeren Dividendenaktie.
Ich halte Intuit Inc. weiterhin für ein solides und gut aufgestelltes Unternehmen, was ich auch weiter beobachten werden. Sollte die neue Ausrichtung gelingen, würde es mich freuen, aber für die nächsten Jahre warte ich mit einem Gewinn von 51 % oder 1.270 € lieber an der bekannten Seitenlinie.
Die perfekte Aktie würde an das perfekte Unternehmen gebunden sein, und das perfekte Unternehmen muss in einem vollkommen einfachen Geschäft tätig sein, und das perfekt einfache Geschäft sollte einen perfekt langweiligen Namen haben. - Peter Lynch
Ich sage wie immer Danke fürs Lesen! Ich durchforste jetzt meine Watchlist nach einem würdigen Nachfolger.
LG
Falk